Im RND-Interview erklärt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warum er mit Fridays for Future gemeinsame Sache macht, aber dennoch nicht zum Klimastreik am Freitag geht.
Im RND-Interview erklärt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warum er mit Fridays for Future gemeinsame Sache macht, aber dennoch nicht zum Klimastreik am Freitag geht.
Wir können Sie für Veränderung verlieren oder dann 2-3 Jahrzehnte später einfach mal große Teile der Bevölkerung verlieren.
Wir haben jetzt Jahrzehnte versucht langsam zu machen um bloß keinen zu überfordern und dadurch sind wir jetzt in so einem Jahr wo gefühlt alles schmilzt, brennt oder weg schwimmt. Wir haben einfach nicht mehr die Zeit zu warten bis alle Ewig-Gestrigen von Veränderungen überzeugt sind.
Ja, es wird leider immer klarer dass die Demokratie einige, nennen wir es mal "offene Sicherheitslücken" hat wenn es um Propaganda. Information, Bildung und emotionale Reaktionen geht. Die Frage ist nur wie man die beheben kann.
Was viele leider nicht verstehen zu scheinen ist, dass der Status quo kein stabiler Zustand ist.
Insgesamt geht es uns denke ich relativ gut, klar es gibt viel das besser sein könnte, aber zu wollen das es so bleibt wie es ist kann ich in mancher Hinsicht gut verstehen. Das Problem ist, dass genau die Veränderungen gegen die sich viele so streben nötig sind damit der insgesamte Zustand nachhaltig und langfristig haltbar ist.
Mal abgsehen davon sind wir ja nur durch Veränderung da, wo wir jetzt sind. Wer glaubt, dass ausgerechnet die Gegenwart der Gipfel aller Entwicklung sei, muss geistig etwas beschränkt sein.
Kann halt auch sein, dass es gar keine Verbesserung wird, sondern wir aus verschiedenen Verschlechterungen die beste versuchen zu erreichen. Das ist für die menschliche Natur nicht motivierend genug.
Das ist halt der Fehlschluss den viele zu machen scheinen. Dass gleiches Verhalten zu gleichen Ergebnissen führt. Das ist aber nichts so. Die Welt verändert sich, neue Reaktionen sind erforderlich um überhaupt eine Chance zu haben das gleiche Ergebnis zu bekommen.
Lesenswertes Interview! Ich kopiere mal zwei Teile, die ich besonders interessant fand:
Verkehrsminister Volker Wissing bezeichnet Fridays for Future als Lobbygruppe. Sehen Sie das auch so?
Fridays for Future ist eine Gruppierung, die sich für die Gesellschaft als Ganzes einsetzt, nicht für ein bestimmtes Interesse einer kleinen Gruppe. Wenn Sie Lobby als Gruppe definieren, die Einzel- und Gewinninteressen vertritt, wie etwa die Tabakindustrie und ihre Lobbyverbände, dann ist Fridays for Future sicher keine. Für uns ist entscheidend: Fridays for Future beruft sich auf wissenschaftliche Zahlen, Fakten und Studien. Es argumentiert wissenschaftsbasiert, hat gut begründete Anliegen. Daher halte ich die Gruppierung für einen seriösen Teil der Zivilgesellschaft, mit dem es sich für die Wissenschaft lohnt, in den Diskurs zu gehen.
Wo ist die Grenze für einen Wissenschaftler zum Aktivismus überschritten? Bis zu welchem Punkt kann Wissenschaft noch neutral sein?
Wissenschaft ist neutral, wenn sie sauber arbeitet und ihre Arbeit überprüfbar ist. Ihre Frage ist ja eigentlich: Soll Wissenschaft mit Politik, mit Wirtschaftsentscheidern, mit gesellschaftlichen Gruppen in den Diskurs gehen und auf Veranstaltungen auftreten? Das ist explizit unser Auftrag! Wir müssen raus aus dem Elfenbeinturm. Wir machen seit fast 60 Jahren halbjährlich die Wirtschaftsprognose für die Bundesregierung. Andere Studien machen wir auch mit Verbänden oder mit Gewerkschaften oder eben mit zivilgesellschaftlichen Gruppen. Wir argumentieren auf der Grundlage wissenschaftlicher Zahlen, Fakten und Erkenntnisse und bringen diese in die Debatte ein. Die Grenze zum Aktivismus ist klar: wenn das wissenschaftliche Fundament fehlt oder ignoriert wird. Deshalb müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen, was sie nicht wissen, aber eben auch laut und deutlich, was sie wissen.
Jede Veränderung erscheint mindestens teuer – oder gleich bedrohlich. Ist das auch ein deutsches Mentalitätsproblem?
Es sind politische und wirtschaftliche Partikularinteressen, die zum Teil bewusst Ängste schüren wollen. Wenn Ängste entstehen, führt das dazu, dass die Akzeptanz für Veränderungen schrumpft. Und Deutschland war vor den Corona-, Inflations- und Energiekrisen in einem sehr erfolgreichen Jahrzehnt. Wir haben heute immer noch heute die größte Beschäftigung, die höchste Anzahl von Menschen in Arbeit, die wir jemals hatten. Jetzt kommen die Ängste: Verlieren wir, was wir da erreicht haben? Gesellschaftliche Gruppen werden gegeneinander ausgespielt. Und wer ängstlich ist, will keine Veränderung.
Sagt die Organisation, deren Lobbyarbeit mit dafür gesorgt hat, dass Menschen der Regierung, den Parteien und vielen Organisationen nicht mehr vertrauen.
IdW - Institut der deutschen Wirtschaft ist ein dem Arbeitgeberverband nahestehendes Institut (und sehr Lobbylastig)
DIW - Ist ein Wirtschaftsforschungsinstitut aus der Leibniz-Gesellschaft (unabhängige Forschungsfinanzierung) und ist tendentiell etwas Gewerkschaftsnäher als die anderen Großen (ifo München und ZEW Mannheim)
Quellen? Und von wem gekauft? Zumindest die Sachen die ich gelesen habe, die Marcel Fratscher so sagt finde ich nicht so verkehrt. Aber lasse mich gerne eines besseren belehren. Was genau ist schlecht an denen?