Eine Kappung beim Elterngeld sei ein Schritt zurück in alte Rollenbilder, fürchten Betroffene und Kritiker. Die Soziologin Jutta Allmendinger dagegen, die zu Geschlechtergerechtigkeit forscht, wundert sich über die breite Front gegen die Kürzung.
So habe eine laufende Petition der geringverdienenden Eltern, den Elterngeld-Mindestsatz von 300 Euro anzuheben, weit weniger Unterschriften gesammelt. Dabei lebten derzeit etwa drei Millionen Kinder in Armut.
Das verstehe ich auch nicht warum fühlt sich jeder plötzlich betroffen wenn es um reiche geht während auf die untersten geschissen wird?
Theorie von Holger Klein: Diejenigen, die den öffentlichen Diskurs bestimmen (Chefredakteure, etc.) sind genau diejenigen, die in diese Kategorie fallen.
Und da ein erheblicher Teil der Menschen nur Überschriften überfliegt, verfangen reißerische Headlines.
Naja, wer 150k zu versteuerndes Haushaltseinkommen hat, also nachdem schon SV Beiträge raus sind, landet bei 100k netto im Jahr. Damit ist es locker möglich 50.000 im Jahr anzusparen. Bei 5% Zinsen hat man so nach 25 Jahren 2,5 Mio € auf der hohen Kante. Das würde ich schon als reich bezeichnen.
Willkommen im Club. Du beginnst langsam zu verstehen, wer in userem Land den Diskurs bestimmt und wie viele Leute tatsächliche keine eigene Meinung haben, sondern sich erst von den entsprechenden Medien ihre Meinung erzählen lassen müssen (die dann aber natürlich vehement vertreten wird, zumindest bis zum nächsten Medien-Update).
Ich glaube, dass hat viel damit zu tun, dass sich weder jemand wirklich arm noch wirklich reich nennen will. Und vermutlich auch viel mit persönlicher relativer Wahrnehmung, ich bin z.b. definitiv nicht arm, mein Einkommen ist aber aus diversen Gründen deutlich geringer, als das der Leute mit denen ich studiert habe, die einen großen Teil meiner sozialen Blase ausmachen.
Würde ich mehr mit Handwerksgesellen oder Krankenpflegern abhängen käm ich mir wohl reicher vor und verglichen mit Leuten die den Mindestlohn kriegen, nicht Vollzeit oder eventuell gar nicht arbeiten schwimm ich grade zu im Geld. Vielen ist glaube ich nicht klar wie groß Gehaltsunterschiede in DE sind. Bei diesen 150 000 zu versteuerndem einkommen reden wir von einem Gehalt, das 5% der Arbeiter oder so beziehen.
Und ja, das diese Förderung weg fällt wird vor allem für einige Frauen richtig kacke sein, weil es für sie bedeuten wird, dass es einfach zu viel finanziellen Sinn macht, wenn ihr Partner Vollzeit weiter arbeitet und sie für das Kind karrieretechnisch kürzer treten, aber es ist die am wenigsten schlechte Lösung mit dem gekürzten Mitteln umzugehen, die das Familienministerium wählen konnte.
Unterstützung für Eltern am unteren ende der Einkommensverteilung ist aber weiterhin lächerlich gering und wird so wenigstens nicht noch weniger.
Wobei auch der Lebensstandard gefühlt zwischen mittlerem Einkommen und (sehr) gutem Einkommen nicht mehr so stark ansteigt. Statt Miete zahlst du ein Haus ab, statt Billigprodukte im Supermarkt kaufst du Markenprodukte, statt Bahn oder einem Auto hast du zwei Autos, statt ins deutsche Ferienhaus fliegst du ins Hotel im Ausland, monatlich geht Geld auf den Sparplan. Das sind alles Punkte, die recht teuer sind, bei denen man sich aber nicht zwingend viel reicher fühlt. Quasi viel Geld für wenig Zuwachs an Lebensqualität.
Aber ist die Angst wirtschaftlich Abzusteigen nicht deutlich höher, als die Hoffnung (deutlich) Aufzusteigen?
z.B. Wenn es um den Mindestlohn geht, ist auch eine große Mehrheit für eine Erhöhung.
Oder diese Leute sitzen nur vermehrt an den richtigen Stellen, um den Diskurs zu bestimmen, weil sich dieses Verhalten in dem Bereich nunmal karrieretechnisch ausgezahlt hat.
Die verringerte Obergrenze wird beim Mittelstand schon relevant, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten und sie Reisekosten(beruflich) und co anrechnen müssen. Die Obergrenze ist tatsächlich etwas gering bemessen, wenn man diesen Hintergrund weiß.
Wäre es nur brutto von einer Person oder vllt noch Brutto von 2 Personen, aber ohne weitere Posten wie oben beschrieben, dann wäre es weniger kontrovers.
Menschen die so viel verdienen das es relevant wird, haben die 25k innerhalb von 3 Monaten verdient. Bei 30% realistischere Sparquote bei so einem verdienst haben die Leute während der Schwangerschaft so viel angespart während die meisten anderen nichts sparen können. Zur Erinnerung 40% der deutschen haben keine nennenswerten Ersparnisse.
Ich finde, das hat auch was mit Framing zu tun: rede ich von der Kappung des Elterngeldes (für Reiche)? Oder davon, bei Sozialleistungen für Reiche zu sparen (konkret: an deren Elterngeld)?
Das Problem ist dass die neue Obergrenze bereits beim Mittelstand relevant ist, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten und dann noch Reisekosten(beruflich) und Co angerechnet wird, dann überschreiten das Paar die Obergrenze sehr schnell ohne tatsächlich den Betrag zu verdienen.
Wäre es eindeutig nur für die oberste Schicht relevant wäre es ja nicht so kontrovers.
Naja ist halt: reiche Zahlen besonders viel ein weil sie besonders viel kriegen und jetzt kriegen sie nicht mal mehr was für ihre kinder zurück aus dem Fundus?
Da denkt man zwei mal drüber nach warum man in Deutschland so viele sozial begründeten Lohn Nebenkosten bezahlt. Ich sehe die bisher eher positiv weil es mir und meinen Kindern gut geht in Deutschland.
Wirkt ein bisschen wie: die Gesellschaft beißt die Hand die sie füttert. Übermäßig einzahlen und dann noch diskriminiert werden weil man das der restlichen Gesellschaft gut verkauft kriegt....
Das ist eben das soziale System in Deutschland. Wer viel hat, gibt anteilig bzw. In Relation viel ab. Wer wenig hat, gibt wenig ab. Und so halten wir den Laden hier am Laufen.
Bei den Details wird es dann ein wenig schwieriger, wie diese Petition zeigt. Und dass diejenigen, die eigentlich viel abgeben müssten, durch ihre Ressourcen Zugriff auf Wege haben, ihren abzugebenden Anteil halblegal zu schmälern, wissen wir auch alle.
Ein Horrorsystem wie in den USA brauchen wir hier wirklich nicht (Wer nicht einzahlt ist nichts wert und hat keinen Anspruch auf Sozialleistungen oder KV).
Bei den sehr gut verdienenden Männern sei die Gruppe derer, die Elternzeit nehmen, noch kleiner. Dabei hätte das Elterngeld gerade für die Manager, die Chefredakteure und Politiker ein Anreiz sein sollen. "Insofern frage ich mich, warum wir jetzt genau dieses Argument ziehen, wenn wir seit der Einführung des Elterngelds 2007 eigentlich diese Gruppe gar nicht als Gamechanger identifizieren können", so Allmendinger.
Interessant.
Genau dieses Argument habe ich hier erst letztens öfters gelesen, als das diskutiert wurde.
Elterngeld: Welche Kürzung geplant ist und wen es betrifft
Soziologin sieht Schieflage bei Wahrnehmung in der Gesellschaft
Allmendinger ist Mitglied unter anderem in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und forscht als Professorin zum Thema Geschlechtergerechtigkeit, insbesondere in der Arbeitswelt. Trotz Elterngeld nur selten gleiche Verteilung der Care-Arbeit
Betroffen seien Paare, die in den oberen fünf Prozent der Einkommensverteilung liegen und damit verhältnismäßig wenige. Ihrer Meinung nach ist das Elterngeld – so wie es derzeit ausgestaltet ist – ohnehin kein Schlüssel für mehr Gleichberechtigung.
Allmendinger: Kappung "angemessen" - aber nicht sofort
Angesichts der Optionen, die Finanzminister Lindner (FDP) Familienministerin Paus (Grüne) gegeben habe – nämlich eine allgemeine Kürzung des Elterngeldes –, hält Soziologin Allmendinger die Kappung für "angemessen". Familienvater ist für Elterngeld - und für Kindergrundsicherung
Reinhard Rucker ist vor einigen Jahren Vater geworden und hat damals sieben Monate Elternzeit genommen, seine Frau ebenfalls.
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Ich verdiene in etwa das doppelte meiner Frau, auch deutlich über der Bemessungsgrenze von 2770€ aber noch WEIT von 150T€ pro jahr entfernt.
Wir könnten es uns gar nicht leisten, dass meine Frau arbeiten geht, während deutlich mehr als die Hälfte meines Einkommens wegbricht.
In Summe wären ihr einkommen + Elterngeld für mich weniger, als ich alleine verdiene, und das führt das ganze doch ad absurdum.
Natürlich würde ich gerne zuhause bleiben, und mich um unsere Kinder kümmern, aber wenn sie dann deswegen kein Dach mehr über dem Kopf haben, oder nichts mehr zu essen ist das doch auch nicht zielführend
Ich finde es OK, dass gutverdiener diese Leistung nicht mehr erhalten.
Allerdings glaube ich nicht, dass diese wirklich von vielen wahr genommen wird, die so viel verdienen.
Das Elterngeld ist ja bei 1800€ gedeckelt, was nicht einmal 25% des Einkommens der betreffenden Leute entspricht.
Für Familien, die auf das Geld angewiesen sind, ist es schlecht gelöst, weil es zu niedrig ist (65% von maximal 2770€). Und Familien die nicht darauf angewiesen sind, sollten es nicht beziehen.
Ich finde es äußerst beunruhigend, wie plötzlich so viele Fälle von Klassenkampf und Neiddebatten ausgetragen werden. Ausländer gegen Einheimische war ein alter Hut. Jetzt sind es Radfahrer gegen Autofahrer, arbeitende Mütter gegen arbeitende Mütter die ein bisschen mehr verdienen, arbeitende Arme gegen arbeitende Mittelschicht.
Für mich kam das alles aus dem Nichts. Noch vor ein paar Monaten hat niemand gesagt, dass berufstätige Eltern kein Elterngeld bekommen sollten, vielleicht sollte der Mindestbetrag erhöht werden, aber nicht, dass weniger Eltern es bekommen sollten. Es schien auch, dass die meisten Menschen verstanden haben, dass wir zur Bekämpfung der Klimakatastrophe mehr Radfahrer und weniger Autos brauchen.
Das ist nicht das Deutschland, für das ich es gehalten habe.
Das Problem ist vor allem, dass die Leute beim sich-gegenseitig-Bekämpfen völlig aus den Augen verlieren, dass es die führenden Kapitalisten sind, die unser aller Leben weniger gut machen. Wenn jeder seine Energie mal dafür verwenden würde...
"Dass etwa eine halbe Million Menschen diese Petition unterschrieben hat - also viel viel mehr, als davon betroffen sind - das ist etwas, was mich dieser Tage sehr beschäftigt"