Israel hat Anfang November gewählt, jetzt sitzt die neue Regierung im Sattel. Es ist eine rechtsradikale Koalition, deren Bildung der israelische Philosoph Omri Boehm zuletzt nicht ganz unzutreffend als Israels „Weimar-Moment“ beschrieben hat.
Ihre Protagonisten hetzen offen gegen Palästinenser inner- wie außerhalb Israels sowie gegen linke oder auch nur besatzungskritische „Abweichler“, in Israel gern als „Verräter“ bezeichnet.
Zusammengesetzt ist die Regierung aus der Mitte-rechts-Partei Likud unter Führung des wegen Korruption angeklagten Premiers Benjamin Netanjahu, der jetzt sein politisches Comeback feiert und seinen ultranationalen Partnern Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir von den Parteien Religious Zionism und Otzma Yehudit – sowie der offen homo- und transfeindlichen Noam-Partei.
Die gängigen talking points von Politikerinnen wie Giorgia Meloni, Marine Le Pen und Alice Weidel – Einwanderung zu stoppen, im Sinn nationaler Ethnokratie – werden in Israel von Ben-Gvir genauso geteilt wie vom Ex-Premier Yair Lapid, der vor der Wahl als „linke“ Alternative zur Netanjahu-Regierung gehandelt wurde.
Dass jüdische Israelis in Israel/Palästina Rechte besitzen, die Palästinenser nicht besitzen und dass Israel auch nicht vor hat, ein pluralistischer „Staat für alle seine Bürger“ zu werden, darüber sind sich im israelischen Parlament, der Knesset, von Lapid über Netanjahu bis Ben-Gvir im Grunde genommen alle einig.
Ben-Gvir, der in der Vergangenheit wegen Anstiftung zu Terrorismus verurteilt wurde, gründet seine Rhetorik vielmehr auf Ideen wie der, Palästinenser aus der Westbank zu deportieren und diejenigen Palästinenser, die innerhalb Israels leben, zum nationalen Sicherheitsrisiko zu erklären.
Was sich dieser Tage unmissverständlich abzeichnet: Ben-Gvir, der für sein unverblümt-Trump‘eskes Auftreten und seine offen rassistische Rhetorik insbesondere von einer jüngeren Generation an Israelis gefeiert wird, hat es geschafft, radikales Gedankengut in Israels politischem Zentrum zu etablieren, wo sie in dieser Zuspitzung wohl noch bis vor wenigen Jahren – zu Recht – als bizarrer Radikalismus abgetan worden wären.
Es spricht einiges dafür, das Bild Israels als alleiniger Demokratie des Nahen Ostens, das Israel vor der Weltgemeinschaft selbstbewusst für sich beansprucht, gerade jetzt kritisch zu hinterfragen. Als ich während der Wahl selbst vor Ort war, nahm ich an einer Tour einer israelischen Menschenrechtsorganisation durch die Westbank teil. Annähernd 650.000 israelische Siedler können dort – anders als etwa Israelis, die in Deutschland oder in den USA leben, also ohne dafür überhaupt nach Israel reisen zu müssen – in jenen Siedlungen wählen, wo sie registriert sind.
Ihre palästinensischen Nachbarn hingegen waren von der Wahl ausgeschlossen. Man stelle sich vergleichsweise vor, russische Zivilisten ohne militärischen Auftrag würden zu Hunderttausenden in die zuletzt in diesem Jahr von Russland besetzten Teile der Ukraine ziehen, dort Häuser errichten, wo einst ukrainische Häuser standen und von dort aus an russischen Wahlen teilnehmen. Die politische Doppelmoral in der Bewertung jener Kontexte seitens westlicher Staaten (und zahlreicher Beobachtender) klafft inzwischen immer eklatanter auseinander. In vielen israelischen Siedlungen liegt der Zuspruch für Ben-Gvir und Smotrich bei über 80 Prozent.
Obwohl Ben-Gvir nach außen hin verbalradikaler auftritt als Smotrich das tut, wird letzterer auch deshalb von vielen internationalen Beobachtenden als der gefährlichere Politiker angesehen. Dies auch deshalb, weil er innerhalb Israels demokratische Standards abzubauen plant, etwa das richterliche Prüfungsrecht.
Dieser Vorstoß könnte, so glauben viele, eine Art Dammbruch für alle möglichen Gesetzvorstöße bedeuten, die denjenigen dienen, die sie erlassen – und so Israels Judikative sowie seinen Status als funktionierende Demokratie bedrohen, auch für jüdische Israelis. Smotrich könnte Israel, so die Sorge, in Richtung einer Autokratie nach dem Vorbild von Orbáns „illiberaler Demokratie“ bewegen. Rechtsstaatlichkeit wäre fundamental bedroht. Für alle, die dort leben.
Klar ist: Wenn diese neue Regierung eins fraglos nicht tun wird, ist es, für mehr „Sicherheit“ für Israelis zu sorgen – geschweige denn für Palästinenser. Sie verspricht stattdessen eine weitere Eskalation eines bereits jetzt kaum anders denn als katastrophal zu bezeichnenden Status quo. Sich davon nicht in aller Deutlichkeit zu distanzieren, ist kein Zeichen von Solidarität. Es ist ein Zeichen politischer Gleichgültigkeit.
Weil er dort nicht zur unterdrücken Minderheit gehört.
Ich finde es nachvollziehbar dass Mensch aus Angst vor Verfolgung handelt und moralische und vorsorgliche Gründe nunmal unterschiedlich gewichtet werden.
Naja, wo willst du hin?
Wahrscheinlich ein westliches hochentwickeltes Land. USA, Canada, Australien haben sehr strenge Einwanderungsgesetze, das geht nicht einfach so.
Ob Europa in dem Fall weit genug ist?
Nach Israel kann er halt Dank Rückkehrrecht ziemlich einfach und dort Staatsbürger werden.
Israel ist so ziemlich die einzige Demokratie dort. Araber in Israel haben Bürgerrechte, können wählen und sind auch im Parlament . Vergleich das Mal mit so ziemlich alten arabischen Staaten in der Nachbarschaft, die durch die Bank Minderheiten unterdrücken.