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Kevin Kühnert: "Am Ende war da ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit"

Archiv, da Paywall

Sein Rücktritt kam so unvermittelt, dass selbst seine engsten Mitarbeiter überrascht waren. Wenige Stunden bevor er an die Öffentlichkeit ging, rief Kühnert sein Team zusammen. Es hieß, es gebe etwas zu feiern, die Sekretärin stellte Sekt bereit. Dann eröffnete Kühnert seinen Leuten, dass er sein Amt niederlege. Alle weinten, den Sekt rührte niemand an. So erzählt es eine frühere Mitarbeiterin von Kühnert.

17 comments
  • Vor sieben Jahren, als ich Kühnert zum ersten Mal traf, fragte ich ihn, warum er Politiker geworden sei. Er erinnerte sich an ein Gefühl, das ihn in jungen Jahren beflügelt habe: das Gefühl, etwas verändern zu können. Kühnert erzählte von seinem ersten politischen Erfolgserlebnis: Mit den Juso-Kollegen hatte er durchgesetzt, dass Bedürftige in Berlin ein vergünstigtes Ticket für den Nahverkehr bekommen. Jahre später, da war Kühnert längst Generalsekretär, habe ich mit ihm noch einmal über dieses Gefühl gesprochen. Ich fragte ihn, wann er es zum letzten Mal empfunden habe. Kühnert musste lange nachdenken. Dann sagte er: beim Heizungsgesetz. Kühnert war es gelungen, dem Gesetzestext eine Klausel hinzuzufügen, die es Hausbesitzern verbietet, die Kosten für den Heizungstausch vollständig auf die Mieter umzulegen. Aus sozialdemokratischer Sicht war das ein Erfolg. Allerdings einer, der in der allgemeinen Empörung, die das Heizungsgesetz entfachte, unterging.

    [...]

    Mittlerweile glaube ich, dass Kühnerts Rücktritt ohne dieses Puzzleteil nicht zu verstehen ist. Dass er nicht nur aufgegeben hat, weil es den Radikalen gelang, ihn einzuschüchtern. Sondern auch, weil er den Glauben daran verlor, dass die Mitte überhaupt noch bereit ist, sich zusammenzuraufen.

    Jep, so sieht ein gebrochener Wille aus.

    • Zu Recht, oder?

      wenn es den Verächtern des Systems gelingt, mit einem einzigen TikTok-Video ein ganzes Heer von Wählern aufzuwiegeln?

      https://feddit.org/post/11269621/6205530

      Der Kommentar und der Post sprechen dafür, dass Argumente zweitrangig sind. Politik wird zum zynischen Spiel, durch Unterhaltung Menschen für das eigene Team zu begeistern.

      Die SPD muss dies mitmachen denn nur so bekommt man die Stimmen.

      Gibt es eine Chance, zum Diskurs zurückzukehren? Ich denke eher, dass bei der nächsten Wahl mehr Parteien Trump nicht inhaltlich aber konzeptionell kopieren werden.

      • Die SPD muss dies mitmachen denn nur so bekommt man die Stimmen.

        Sehe ich überhaupt nicht so. Finde das hat man auch gut am Stimmenzuwachs der Linken zur letzten Wahl gesehen.

        Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass wir nicht an diesem Punkt wären, wenn unsere beiden großen "Mitte"-Parteien nicht voller Inbrunst den Populismus zu ihrem Hauptfokus erklärt hätten. Es gab im letzten Wahlkampf zum Beispiel viel Kritik aus der Bevölkerung, dass es neben Migration eigentlich keine Themen gab, obwohl anderes wichtiger gewesen wäre.

        Die AfD war und ist immer noch eine laute Minderheit aber man geht nicht so mit ihr und ihren Wählenden um. Und wenn wir ehrlich sind, ist das der kommenden Regierung nur recht, immerhin sind die Leute durch diesen bullshit so abgelenkt, dass wir uns jetzt endlich wieder in die Vergangenheit zurück reagieren lassen können. Was interessieren schon Gutachten, wenn ich Konzernen weiter Geld in die Taschen stopfen kann.

        Würde die GroKo hier tatsächlich Mal aus ihrem Muster ausbrechen und Politik zum Wohle der Bevölkerung machen, wäre die AfD weniger stark.

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